Tödlicher „Badeunfall“ im Pflegeheim – Betrachtung aus Sicht des Arbeitsschutzes
Sicher haben Sie von der Ende Februar diesen Jahres stattgefundenen Tragödie gelesen, bei der ein Bewohner eines Pflegeheims in Sachsen-Anhalt durch viel zu heißes Badewasser schwer verbrüht wurde und in der Folge starb. Den in den Pressenachrichten gezeigten Bilder zufolge war handelte es sich höchstwahrscheinlich nicht um ein Bad im Rahmen der Grundpflege, sondern das Bad fand in einem speziellen Raum statt – in einer festinstallierten Badewanne, die bspw. für Aktivierungsbäder genutzt worden sein könnte. Um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen, ist diese Hintergrundinformation für Fachpersonal sicher von großer Bedeutung.
Auch wenn der Bundesverband Pflegemanagement und die Presse gerade von einem individuellen Versagen zweier Pflegemitarbeiterinnen ausgehen und den Betreiber der Pflegeeinrichtung außen vor lassen, möchten wir das tragische Unglück zum Anlass nehmen, auf die Arbeitgeberpflichten zum Thema Heißwasser einzugehen.
Aus Gründen der Hygiene hat das warme Wasser in gebrauchsüblichen Leitungssystemen eine Temperatur von 60 °C oder mehr. Für den Gebrauch ist solch heißes Wasser jedoch nicht zu empfehlen: Bei partieller Wärmeeinwirkung zwischen 45 und 51 °C tritt eine Hautschädigung innerhalb von Minuten ein, ab 51 °C innerhalb von Sekunden.
DIN-Norm fordert technische Temperaturbegrenzung
Mit der DIN 1988-2 wurde bereits 1998 die Empfehlung ausgesprochen, im häuslichen Bereich nur Armaturen zu verwenden, die eine Entnahme von mehr als 40 °C heißem Wasser erst nach dem Entriegeln einer Sicherheitssperre oder dem Überwinden eines Sicherheitsanschlags möglich macht. Die jüngere DIN EN 806-2 fordert sogar: "Anlagen für erwärmtes Trinkwasser sind so zu gestalten, dass das Risiko von Verbrühungen gering ist." Die Norm empfiehlt Mischbatterien mit Auslauftemperaturbegrenzungen an Entnahmestellen in sensiblen Bereichen. Zu Letzteren zählen Krankenhäuser, Seniorenheimen oder Schulen, hier soll die Wassertemperatur auf 43 °C begrenzt sein. Für Duschanlagen in Kindertagesstätten und Pflegeheimen wird eine maximale Auslauftemperatur von 38 °C empfohlen.
Natürlich sind dies alles nur "Normen" und "Regeln" mit Vermutungswirkung, sprich sie können nicht den Charakter einer Muss-Vorschrift entwickeln. Allerdings fällt im Bereich der Pflege die Nutzung von "Warmwasser" im Rahmen der Tätigkeit unter den Arbeitsschutz und damit unausweichlich auch unter die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV):
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätten hat der Arbeitgeber die Maßnahmen nach § 3 Absatz 1 durchzuführen und dabei den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene, die ergonomischen Anforderungen sowie insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Absatz 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. – § 3a ArbStättV
Darüber hinaus besagt eine vom Bundesministerium bekannt gemachte Technische Regel (ASR A4.1 – Technische Regel für Arbeitsstätten – Sanitärräume): "Die Temperatur von vorgemischtem Wasser soll während der Nutzungszeit +43 °C nicht überschreiten". Diese Aussage bezieht sich zwar nur auf Wasch- und Duschplätze für die Mitarbeiter, jedoch ist die Gefährdung durch "zu heißes Wasser" in allen Fällen der Nutzung gleichermaßen gegeben. Womit wir wieder bei der Gefährdungsbeurteilung iSv § 3 ArbStättV und § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind: Spätestens hier müsste der Arbeitgeber aktiv werden und darlegen können, warum es überhaupt möglich oder gewollt ist, Wasser über 43 °C zu entnehmen.
Pflegeeinrichtungen sind gut beraten die technischen Regeln einzuhalten
Aus unserer Sicht muss sich jeder Betreiber einer Pflegeeinrichtung mit der Frage auseinandersetzen, welche Maßnahmen er gewählt hat, oder zu mindestens, zu welchem Ergebnis seine Gefährdungsbeurteilung gekommen ist, um die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu kompensieren, wenn er diese nicht einhalten möchte bzw. kann. Sind die technischen Regeln eingehalten, kann es aus physiologischer Sicht zu keiner Verbrühung kommen. Ob das für die Mitarbeiter im vorliegende Fall entlastend wirkt und vom Gericht überhaupt berücksichtig wird, muss abgewartet werden.