Ärztliches Beschäftigungsverbot für Schwangere

  • 07. August 2017

Hinweis: der Beitrag bezieht sich in seinen Rechtsquellen auf das Mutterschutzgesetz (MuSchG) und die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV), welche zum 01.01.2018 durch das neue Mutterschutzgesetz ersetzt wurden. Zu den Beschäftigungsverboten für Schwangere nach dem neuen Mutterschutzgesetz (2018) lesen Sie folgenden Artikel: Beschäftigungsverbot für Schwangere nach dem neuen Mutterschutzgesetz.

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Beschäftigungsverbot vom Arzt

In diesem Beitrag möchten wir uns vor allem dem ärztlichen (individuellen) Beschäftigungsverbot für schwangere Mitarbeiterinnen widmen. 

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) unterscheidet in vier Formen des Beschäftigungsverbots:

  • ärztliches (individuelles) Beschäftigungsverbot für Schwangere  (§ 3 Abs. 1 MuSchG
  • generelles Beschäftigungsverbot für Schwangere (§ 4 MuSchG
  • Beschäftigungsverbot vor der Entbindung (§ 3 Abs. 1 MuSchG)
  • Beschäftigungsverbot nach der Entbindung (§ 6 MuSchG)

Vorab soll jedoch die Begrifflichkeit „Beschäftigungsverbot“ erläutert werden: Weder das ärztliche noch das generelle Beschäftigungsverbot sind ein pauschales Tätigkeitsverbot, welches bedeuten würden, dass die schwangere Mitarbeiterin überhaupt keiner Tätigkeit mehr nachgehen darf. Diese Beschäftigungsverbote – insbesondere das generelle – beinhalten einzelne, abgegrenzte und im Gesetz abschließend aufgezählte Gefährdungen, welchen die Schwangere nicht ausgesetzt werden darf. Ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz ist zwingend von einer Krankschreibung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) zu unterscheiden.

Die Formulierung „generell“ bezieht sich nicht auf die Beschäftigung an sich, sondern darauf, dass generell alle Schwangeren diesen Gefährdungen nicht ausgesetzt sein dürfen, d.h. Tätigkeiten, welche genau diese Belastungen beinhalten nicht mehr nachgehen dürfen. Demzufolge ist nicht ausgeschlossen, dass die schwangere Mitarbeiterin einer Tätigkeit nachgeht oder eine solche vom Arbeitgeber zugewiesen bekommt, welche diese Belastungen oder Gefährdungen nicht beinhaltet. 

Das ärztliche (individuelle) Beschäftigungsverbot für schwangere Mitarbeiterinnen wird von einem Arzt ausgesprochen. Es unterscheidet sich vom generellen Beschäftigungsverbot darin, dass es auf die individuelle Konstitution der werdenden Mutter ausgerichtet ist, welche im Zusammenhang mit der Tätigkeit oder dem Arbeitsplatz eine mögliche Gefährdung für die Schwangere und/oder ihr Kind darstellen kann. Das bedeutet, dass die Schwangere diese Belastung bzw. Gefährdung nicht hätte, wenn sie nicht schwanger wäre und das Leben der Mutter oder des Kindes dadurch gefährdet ist.

Eine normal verlaufende Schwangerschaft kann die Frau an der Fortführung ihrer Erwerbstätigkeit nicht hindern, so urteilte das Bundesarbeitsgericht. Voraussetzung für ein individuelles Beschäftigungsverbot ist also, dass ein Anlass zur „ärztlichen Sorge“ besteht, d.h., dass aus ärztlicher Sicht eine Gefährdung für die werdende Mutter und/oder ihr ungeborenes Kind durch die Fortsetzung der Tätigkeit möglich ist. Von der Regelung werden neben den normalen Beschwerden der Schwangerschaft sowie typischen Symptomen für eine Gefährdung der Schwangerschaft auch Symptome, wie z.B. Erbrechen oder schwangerschaftsbedingte Kreislauflabilität, die sich nachteilig auf den Verlauf der Schwangerschaft auswirken können, erfasst.

In der Rechtsprechung gibt es jedoch auch Einschränkungen zum individuellen Beschäftigungsverbot: So genügt die Begründung der Schwangeren, sie leide unter Mobbing, Stresserscheinungen, Überbelastungen und Aufregungen, nicht den Anforderungen für ein individuelles Beschäftigungsverbot. Ebenso wenig genügt das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft.


Arbeitgeber kann ärztliches Beschäftigungsverbot anzweifeln

Das Besondere am ärztlichen Beschäftigungsverbot ist: Der Arbeitgeber kann es anzweifeln. Insbesondere, wenn im ärztlichen Attest die voraussichtliche Geltungsdauer, Umfang und Art der untersagten Tätigkeit sowie die Art der Gefährdung (Belastungen) nicht genau und verständlich abgefasst sind. Umgekehrt ist vom Arzt auch darzustellen, welche Art von Tätigkeit die Schwangere noch ausüben darf. 

Warum ist das so? Dem Arbeitgeber muss laut Rechtsprechung die Möglichkeit gegeben werden, die im ärztlichen Attest genannten Gefährdungen und Belastungen  auszuschließen, um die schwangere Mitarbeiterin weiterbeschäftigen zu können. Der Empfänger des Attests nach § 3 Abs. 1 MuSchG ist der Arbeitgeber, d.h., das Attest muss entsprechend verständlich und nachvollziehbar für den medizinisch nicht vorgebildeten Laien formuliert sein. 

Daraus ergibt sich für den Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Arzt, von welchen Arbeitsbedingungen dieser beim Ausspruch des Beschäftigungsverbots ausgegangen ist und welche konkreten Einschränkungen für die Mitarbeiterin zukünftig bestehen. Der Arbeitgeber hat also die Möglichkeit, den attestierenden Arzt bei unklarer Begründung selbst zu kontaktieren, er kann diesen um Stellungnahme bitten. Nach der gängigen Rechtsprechung verletzten diese Auskünfte nicht das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin.

Sind die Begründungen für ein individuelles Beschäftigungsverbot ersichtlich und nachvollziehbar, gilt das Beschäftigungsverbot mit der Vorlage beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat nun die bereits genannte Möglichkeit, die im ärztlichen Attest erwähnten Tätigkeiten oder Belastungen auszuschließen und die schwangere Mitarbeiterin so weiter zu beschäftigen. 

Hat der Arbeitgeber ernsthafte Zweifel an der Berechtigung des Beschäftigungsverbots, kann diese darlegen und beweisen, ist die schwangere Mitarbeitern ihrerseits (bzw. der behandelnde Arzt) verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass bei einer weiteren Ausübung der bisherigen Tätigkeit tatsächlich Leben oder Gesundheit von ihr und/oder ihrem Kind gefährdet wären.


Vorläufiges Beschäftigungsverbot

Sehr häufig werden von den behandelnden Ärzten (z.B. Gynäkologe, Hausarzt) vorläufige Beschäftigungsverbote attestiert. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf der behandelnde Arzt ein solches nur ausnahmsweise aussprechen, wenn aus ärztlicher Sicht ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass vom Arbeitsplatz Gefahren für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind ausgehen können und eine fachkundige Überprüfung des Arbeitsplatzes nicht stattgefunden hat. Dieses Beschäftigungsverbot ist deshalb nur vorläufig, da der behandelnde Arzt nicht die tatsächlichen Arbeitsplatzgegebenheiten beurteilen kann. Es besteht bis zur Klärung, ob tatsächlich eine Gesundheitsgefährdung besteht. Hierzu ist wichtig zu wissen: Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) ist gesetzlich geregelt und obliegt immer dem Arbeitgeber, nicht dem Arzt oder der schwangeren Mitarbeiterin. 

Der Arbeitgeber muss nach Vorlage eines vorläufigen Beschäftigungsverbots über die Gefährdungsbeurteilung die Annahme des Arztes bewerten und kann im Anschluss – nach Entkräften der Bedenken des Arztes – das ärztliche Beschäftigungsverbot selbstständig „außer Kraft“ setzen.


Beschäftigungsverbote sollen zweifelsfrei attestiert werden

Im Interesse der schwangeren Mitarbeiterin soll das ärztliche Attest die oben genannten Mindestanforderungen erfüllen. Ist der Beweiswert des ärztlichen Attests erst einmal erschüttert, kann dies nachteilige Rechtsfolgen für die Schwangere haben. 

Ein „totales“ Beschäftigungsverbot für jegliche Tätigkeiten ohne nähere Begründung wird schwer von einer Arbeitsunfähigigkeitsbescheinigung abzugrenzen sein und muss schlussendlich vom ausstellenden Arzt verteidigt werden. Eine Arbeitsunfähigkeit ist im Sinne der Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) charakterisiert durch eine behandlungsbedürftige Erkrankung: Erhält die schwangere Mitarbeiterin eine Therapie (z.B. Medikamente), ist in der Regel eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen. Oder umgekehrt gefragt: Wäre die gesundheitliche Beeinträchtigung auch dann existent, wenn die Arbeitnehmerin nicht schwanger wäre, und die Gefährdung nicht allein von der Tätigkeit ausginge?

Vorsicht auch bei einem Doppelattest. Liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, ist ein Beschäftigungsverbot beschränkt. Da die eigentliche Ursache des Arbeitsausfalls die Krankheit (und nicht die Schwangerschaft) ist, besteht keine Pflicht, Mutterschutzlohn zu gewähren.  


Betriebsärzte können nur in selten Fällen ein Beschäftigungsverbot ausstellen

Sehr häufig werden Betriebsärzte „gebeten“, ein individuelles Beschäftigungsverbot auszusprechen. Selbstverständlich kann der Betriebsarzt, wie jeder Arzt, dieses Attest ausstellen. Aber der Arzt muss seine Entscheidung für ein Beschäftigungsverbot in eigener Verantwortung treffen und – wie höchstrichterlich schon entschieden wurde – seine fachliche Kompetenz entbindet ihn nicht, seine Entscheidung mit großer Sorgfalt zu treffen. Auch wenn er nur eine Prognose abgibt, hat er alle Umstände abzuwägen, so die Richter. 

Der Betriebsarzt sieht das Beschäftigungsverbot aus seiner fachlichen Perspektive: der arbeitsmedizinischen. Die Beurteilung, ob der persönliche Gesundheitszustand der Schwangeren eine Gefährdung für Mutter und/oder Kind sein kann, obliegt primär dem behandelnden Arzt (in den meisten Fällen dem Gynäkologen). Der Betriebsarzt muss sich in dieser Hinsicht auf die Beurteilung des fachärztlichen Kollegen beziehen, da er selbst keine Gesundheitsuntersuchung bei der Schwangeren durchführt. Wenn der Facharzt – als behandelnder Arzt – kein individuelles Beschäftigungsverbot ausstellt, kann bzw. muss der Betriebsarzt den Rückschluss ziehen, dass der Gesundheitszustand der Schwangeren kein individuelles Beschäftigungsverbot erfordert. 

Dass der Betriebsarzt bei der Beurteilung des individuellen Beschäftigungsverbots nur eine untergeordnete Rolle spielt, lässt sich z.B. auch am Meldebogen für die Aufsichtsbehörde ablesen (jede schwangere Mitarbeiterin muss gemeldet werden): Der Arbeitgeber muss angeben, ob eine betriebsärztliche Stellungnahme vorliegt und ob ein individuelles Beschäftigungsverbot vom behandelnden Arzt ausgesprochen wurde.

Dem Betriebsarzt ist es nur in wenigen Fällen, z.B. bei Vorliegen von Infektionsgefährdungen oder im Rahmen der Erhebung des Immunitätsstatus im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, möglich, einen Zusammenhang zwischen Gesundheitszustand und Tätigkeit herzustellen, der ein ärztliches Beschäftigungsverbot von seiner Seite aus rechtfertigt. Das bedeutet, ein „betriebsärztliches“ Beschäftigungsverbot wird sich immer auf konkrete Rahmenbedingungen oder Gefahren beziehen, welche durch das generelle Beschäftigungsverbot ohnehin abgedeckt sind. Für das Beschäftigungsverbot für bestimmte Tätigkeiten wird kein ärztliches Attest benötigt, da die Verbote gesetzlich definiert sind.